Die wichtigste Organisation der Weltgesundheit, die WHO, hat ein Problem: Sie ist pleite und deshalb auf Spenden angewiesen. Verliert sie darüber ihre Unabhängigkeit?
Parasiten wie Malaria, Viren wie Ebola oder Bakterien, wie die Erreger der Tuberkulose, weltweit eindämmen, die globale Seuchenbekämpfung koordinieren und in armen Ländern die Gesundheitsversorgung
verbessern – es sind gigantische Aufgaben, die die Weltgesundheitsorganisation,
kurz WHO, im Auftrag der Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen bewältigen soll. Doch die wichtigste Einrichtung der Weltgesundheit ist pleite. Weil ihre Mitglieder nicht genug einzahlen,
braucht die WHO immer mehr Geld von privaten Stiftungen und der Industrie – und droht damit ihre Unabhängigkeit zu verlieren.
Aber wer genau nimmt Einfluss auf die höchste Instanz der Weltgesundheit? Wie? Und was muss sich ändern, damit das aufhört? Ein Jahr lang haben die Filmemacherinnen Jutta Pinzler und Tatjana Mischke
recherchiert, um diesen Fragen nachzugehen. Am 4. April um 20.15 Uhr ist das Ergebnis in einer 90-minütigen Dokumentation auf ARTE zu sehen: Die
WHO – Im Griff der Lobbyisten?
Die World
Health Organization, kurz WHO ist
eine Sonderorganisation der 194
UN-Staaten, die 1948
gegründet wurde. Sie sitzt in Genf und soll sich unabhängig von den Interessen einzelner, insbesondere reicher, Staaten um die Gesundheit aller Menschen kümmern. Sie ist demokratisch organisiert:
Einmal im Jahr entsenden alle Mitgliedsstaaten Teilnehmer an die Weltgesundheitsversammlung,
eine Art Parlament der Weltgesundheitsorganisation.
Bis zum ersten Aufreger muss sich der Zuschauer gedulden. Der kreist um eine Frage, die europaweit seit Monaten kontrovers diskutiert wird: Wie gefährlich ist das Pflanzenschutzmittel
Glyphosat? Und hat die Firma
Monsanto, die das Pestizid in den 1970er Jahren als erste auf den Markt brachte, die WHO in ihrer Beurteilung über dessen Schädlichkeit beeinflusst? Immerhin verdient Monsanto auch nach Ablauf
des Patents, das es einst auf das Pestizid besaß, noch gut daran, es im Paket mit genveränderten Pflanzen – Soja oder Mais etwa – zu verkaufen, die gegen es resistent sind.
Laut den Filmautorinnen sollen verschiedene Lobbyorganisationen der Gentechnikindustrie in den 1990er Jahren hohe Summen an die WHO gezahlt haben. 1994 erhöhte diese dann zusammen mit der
Welternährungsorganisation (FAO) die Grenzwerte für Glyphosat-Rückstände in gentechnisch veränderten Sojabohnen auf das 200-Fache. Das, argumentieren die Filmemacherinnen, sei sehr im Interesse von
Monsanto gewesen. Denn daraufhin habe der Konzern um so mehr Glyphosat und dazu passende Sojabohnen verkaufen können.
Obwohl Experten der hauseigenen Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC) es anders beurteilten, kam die WHO 2016 zu dem offiziellen Schluss, dass Glyphosat nicht nachweislich krebserregend
sei. In dem Gremium, das das bestimmte, saßen zwei WHO-Funktionäre, die gleichzeitig für eine Lobbyorganisation arbeiteten (ZEIT
ONLINE berichtete), die wiederum erhebliche Summen
von Monsanto erhalten haben soll. Zwar rollt die ARTE-Dokumentation all das noch einmal auf – wirklich neue Recherchen zum Fall Glyphosat hat sie aber nicht zu bieten.
Erstmals wurde Glyphosat 1950 von der Firma Monsanto synthetisiert. Seit den siebziger Jahren wird der Stoff in der Landwirtschaft eingesetzt. Als wesentlicher Inhaltsstoff des Pflanzenschutzmittels
Roundup tötet es Unkraut auf Feldern mit Raps, Mais und anderen Nutzpflanzen.
Heute ist Glyphosat das mit Abstand am meisten eingesetzte Pestizid. Sein Einsatz hat sich in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt, wie etwa die Studie eines Pestizidforschers zeigt (Benbrook
et al., 2016). Zunächst wurde die Chemikalie vor allem vor der Aussaat verwendet, um Äcker von Unkraut zu befreien. Doch seitdem es gentechnisch veränderte Pflanzen gibt, die gegen Glyphosat
resistent sind, kann es auch nach der Saat eingesetzt werden.
Käme die WHO ohne Gates' Geld aus?
Dennoch sind es die Verwicklungen zwischen Konzernen und der WHO, die den Film spannend machen – und von denen er noch weitere zu bieten hat. Etwa als David
McCoy, einer der führenden Experten im Bereich Weltgesundheit, zu Wort kommt: Die Agenda der WHO werde immer mehr von privaten Spendern bestimmt, vor allem von Bill Gates, sagt der. Würde
die Bill
& Melinda Gates Foundation aufhören, jährlich Millionen US-Dollar nach Genf zu schicken, würde die WHO womöglich in sich zusammenfallen. Entsprechend großen Einfluss habe der Milliardär
auf das inhaltliche Programm.
Der Sprecher der Stiftung streitet im Film jegliche Einflussnahme ab. Aber de facto gibt es, wie der Film aufzeigt, zwischen der WHO und der Gates Foundation personelle Überschneidungen. Und die WHO
konzentriert sich in der Tat auffällig stark auf das, was Bill Gates sich wünscht: impfen zum Beispiel.
Nun sind Impfungen unbestritten eine extrem effektive Form der Gesundheitsvorsorge. Die Kinderlähmung Polio zum Beispiel trat dank umfassender Impfprogramme in den vergangenen Jahren immer seltener
auf. 2016
gab es weltweit nur noch 42 bestätigte Fälle, 1988 waren es noch 350.000 gewesen. Dies ist nur eines von vielen positiven Beispielen.
Aber Impfungen allein halten Menschen nicht gesund. Viel wichtiger ist, dass die Gesundheitsversorgung eines Landes gut funktioniert und die Umwelt, in der Menschen leben, sie nicht krank macht – auf
diese Wunde innerhalb der WHO legt die Dokumentation ihren Finger. Jeden
Tag sterben zum Beispiel fast 1.500 Menschen an verunreinigtem Trinkwasser. Mit sauberem Wasser und Ernährungsprogrammen ließen sich also mehr Leben retten als mit Impfungen, sagen Kritiker. In
Wahrheit wäre beides nötig.
Auch mit wenig kostenaufwendigen Maßnahmen, wie etwa Anti-Drogen-Kampagnen, hat die WHO im Laufe ihrer Geschichte viele Leben gerettet. Es scheint aber, als engagiere sie sich mittlerweile in solchen
Bereichen weniger. Etwas, das Gesundheitswissenschaftler seit Längerem kritisieren.
Seite 2/2:
Gates investiert auch in Konzerne, die Schädliches verkaufen
Die Filmemacherinnen sagen klar: Das könnte an der Gates Foundation liegen. Denn sie hat unter Umständen andere Interessen. Der Grund: Die Stiftung legt ihr Geld bei Konzernen an, deren
Handeln die Gesundheit vieler Menschen gefährdet. Je mehr Gewinn diese Unternehmen machen, desto mehr Rendite springt heraus. Mit im Gates-Portfolio stehen große Alkohol- und
Nahrungsmittelhersteller wie Nestlé und auch der Ölkonzern Shell.
Der Film beschreibt diesen Interessenkonflikt am Beispiel des Nigerdeltas: Dort waren 2008 aus zwei Pipelines des Unternehmens mindestens 500.000 Barrel Öl ausgelaufen. Bauern und Fischer
wurden so ihrer Lebensgrundlage beraubt. Von der Entschädigung, die Shell zahlte, können die Anwohner nur wenige Jahre leben (ZEIT
ONLINE berichtete). Doch noch heute sind große Gebiete verschmutzt.
Werden die Folgen von Reaktorunfällen verharmlost?
Und dann ist da noch dieser
Vertrag zwischen der WHO und der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO), die weltweit die Atomenergie fördert. Er verhindere laut Pinzler und Mischke, dass die
Gesundheitsbehörde der Vereinten Nationen neutral darüber aufklärt, wie sehr Radioaktivität die
Gesundheit von Menschen gefährdet. Nach dem GAU
bei Tschernobyl im Jahr 1986 habe die WHO die Todeszahlen heruntergespielt und auch nach dem Erdbeben
und dem Tsunami von Fukushima 2011 habe sie sich auffällig zurückgehalten: Erst Tage nach der Reaktorkatastrophe waren WHO-Offizielle an der Unglücksstelle. Dabei soll in solchen
Fällen viel früher ein Notfallplan greifen, der zum Beispiel Strahlenmessungen direkt nach dem Unfall vorsieht.
Auch heute noch stütze sich die WHO in Sachen Fukushima zu stark auf Informationen der IAEO, kritisiert der Film. Zudem überschneide sich das Personal beider Organisationen stark:
Am WHO-Bericht
zu Fukushima schrieben gleich sieben Mitarbeiter der IAEO mit. Besonders unabhängig klingt das nicht.
Gerade ihre Unabhängigkeit aber hat dazu geführt, dass die WHO in ihrer Geschichte vieles erreicht hat, darunter die Ausrottung der Pocken, die drastische Reduzierung der Fälle von
Kinderlähmung und die weltweite Abnahme des Rauchens durch strikte Anti-Tabak-Regeln. Und genau diese Unabhängigkeit droht sie nun zu verlieren: Bekam sie 1970 noch vier Fünftel ihrer Mittel
von den Mitgliedsstaaten, ohne dass diese an Projekte gebunden waren, ist es heute nur noch ein Fünftel. Der Rest kommt von privaten Spendern, Stiftungen oder von Mitgliedsstaaten, die
freiwillig, aber projektgebunden Geld geben. All diese Geldgeber haben unterschiedliche und widersprüchliche Interessen und wollen die Agenda der globalen Gesundheitswächter mitbestimmen. Die
Diskussion, die Pinzler und Mischke anstoßen wollen, muss deshalb dringend geführt werden: Wie muss sich die WHO verändern, damit sie ihren Aufgaben auch in Zukunft nachkommen kann?
Vorschläge gibt es genug: Nur noch Spenden annehmen, bei denen die WHO selbst bestimmt, was sie damit macht; Statuten erlassen, die personelle Überschneidungen mit Institutionen wie der IAEO
oder Lobbyorganisationen, aber auch der Gates Foundation, ausschließen; bei Projekten wie der globalen Impfallianz Gavi, deren Geld größtenteils von der Gates-Stiftung kommt und in deren
Vorstand Pharmaunternehmen sitzen, nicht weiter mitspielen. All das wäre möglich. Um wieder unabhängiger zu werden, bräuchte die WHO aber vor allem eines: mehr frei verfügbares Geld von den
Mitgliedsstaaten. Sollten die weiter darauf setzen, dass Milliardäre übernehmen, was ihre Aufgabe wäre, könnte die wichtigste Einrichtung der Weltgesundheit endgültig ihre Glaubwürdigkeit
verlieren.
Kaum eine
Organisation auf der Welt hat eine wichtigere Aufgabe als die Weltgesundheitsorganisation (WHO). Sie soll sich um die Gesundheit der Menschen kümmern und sie vor Krankheit schützen. Kritiker
werfen der WHO jedoch vor, oft zugunsten der Wirtschaft und weniger zum Wohl der Menschheit zu handeln. Ist die Kritik berechtigt?
Inhalte von YouTube werden aufgrund deiner Cookie-Einstellungen nicht angezeigt. Akzeptiere die funktionellen Cookies im Cookie-Banner, um den Cookie-Richtlinien von YouTube zuzustimmen und den Inhalt anzusehen.
Thema: Grippe, Zika, Ebola - Weltgesundheit in Gefahr |
arte
Kaum eine Organisation auf der Welt hat eine wichtigere Aufgabe als
die Weltgesundheitsorganisation (WHO). Sie soll sich um die Gesundheit der Menschen kümmern und sie vor Krankheit schützen. Kritiker werfen der WHO jedoch vor, oft zugunsten der Wirtschaft und
weniger zum Wohl der Menschheit zu handeln. Zu viele private Spender würden Einfluss auf die Organisation nehmen. Immer wieder ist von Intransparenz und Missmanagement die Rede, zuletzt bei der
Bewältigung der Ebola-Krise. Ist die Kritik berechtigt?
Wenn eine Epidemie droht, sich ein gefährliches Virus ausbreitet oder die Grippewelle rollt, ist die Weltgesundheitsorganisation (WHO) gefragt. Ihre Erfolge sind unbestritten, denn allein ihre
Impfprogramme retten Millionen Menschen das Leben. Doch immer wieder versagt die Behörde auch - zum Beispiel während der Ebola-Krise. Mehr als 11.000 Menschen sind am Ebola-Virus gestorben. Die WHO
nahm die Warnungen zunächst nicht ernst und reagierte zu langsam. Das sieht die Behörde inzwischen selbst so. Doch hat man aus Ebola gelernt? Auch bei der Bekämpfung von Tuberkulose werfen die
Empfehlungen der WHO Fragen auf. Gleiches gilt für die Risikobewertung des Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat, das als "wahrscheinlich nicht krebserregend" eingestuft wird. Problematisch ist auch
die Haltung beim Thema Atomkraft. Durch einen Vertrag zwischen der WHO und der Internationalen Atomenergiebehörde ist die WHO offensichtlich gezwungen, die Erforschung der gesundheitlichen Folgen mit
den Interessen der Atomindustrie abzustimmen. Viele Gesundheitsexperten fordern eine grundlegende Reform. Insbesondere die Finanzierung der WHO sei ein Problem, denn der wachsende Anteil von privaten
Spendern gefährde die Unabhängigkeit. Einer der größten Geldgeber ist die Bill & Melinda Gates Foundation. Mit breit angelegten Impfkampagnen haben die Stifter einiges für die Gesundheit der
Menschen bewirkt, doch mit ihren Spenden nehmen sie auch starken Einfluss auf die Ausrichtung der Weltgesundheitsorganisation. Die WHO, so Kritiker, hänge mittlerweile am Tropf der Gates-Stiftung.
Was ist dran an dem Vorwurf? Die Autorinnen Jutta Pinzler und Tatjana Mischke haben mit Kritikern und Befürwortern der WHO-Politik gesprochen, sie führten Interviews mit Stiftern und mit den Menschen
in Afrika, Südamerika und Europa, die direkt von den Genfer Entscheidungen betroffen sind.
Drei Tage vor dem Weltgesundheitstag am 7. April fragt ARTE in seiner Themenreihe: Handelt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) oft zu Gunsten der Wirtschaft und weniger zum Wohl der Menschheit?
Die Erfolge der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind unbestritten. Wegen ihrer Impfprogramme können Millionen Menschen leben, die noch vor ein paar Jahren eines qualvollen Todes gestorben wären.
Doch ihre Kritiker zweifeln an ihrer Unabhängigkeit. Die größten Geldgeber sind private Spender, ganz vorne mit dabei der reichste Mensch der Welt: Bill Gates. Zwar konnten die Stifter mit breit
angelegten Impfkampagnen viel Positives für die Gesundheit der Menschen erreichen, allerdings nehmen sie auch starken Einfluss auf die WHO.
Der Dokumentarfilm "Unsichtbarer Feind" schildert am Beispiel von Ebola, wie und warum sich einzelne Ausbrüche von Infektionen zu weltweiten Epidemien entwickeln und zeigt, wie die Menschheit sich
gegen Pandemien wie die Grippe, Zika und Ebola wappnen kann.
In "Ebola - Das Virus überleben" dokumentieren die Filmemacher den Ausbruch und die Folgen der Epidemie in Liberia. Sie beschreiben insbesondere die gesellschaftlichen Auswirkungen und den Kampf
gegen das Virus.
Die Dokumentation "Die WHO - im Griff der Lobbyisten" stellt sich die Frage, ob es einer Reform der Organisation bedarf. Immer wieder ins Kreuzfeuer der Kritik geriet die WHO in den letzten Jahren in
Zusammenhang mit den Pandemien. Ob Schweinegrippe, Zika oder Ebola, ob übertriebene Impfempfehlungen, unentschlossenes Vorgehen oder Interessenskonflikte, das Spektrum der Vorwürfe ist breit.
Jeder kann etwa nach Mobbing, einem Arbeitskonflikt, einem Verkehrsunfall,
einer Scheidung oder nach einem Verlassenschaftsverfahren mit einem Gerichtsverfahren konfrontiert sein.
Daher verdient dieses Volksbegehren, nach Meinung von Mobbingbetroffenen,
Ihre