Die Filmemacherinnen sagen klar: Das könnte an der Gates Foundation liegen. Denn sie hat unter Umständen andere Interessen. Der Grund: Die Stiftung legt ihr Geld bei Konzernen an, deren Handeln die Gesundheit vieler Menschen gefährdet. Je mehr Gewinn diese Unternehmen machen, desto mehr Rendite springt heraus. Mit im Gates-Portfolio stehen große Alkohol- und Nahrungsmittelhersteller wie Nestlé und auch der Ölkonzern Shell.  

Der Film beschreibt diesen Interessenkonflikt am Beispiel des Nigerdeltas: Dort waren 2008 aus zwei Pipelines des Unternehmens mindestens 500.000 Barrel Öl ausgelaufen. Bauern und Fischer wurden so ihrer Lebensgrundlage beraubt. Von der Entschädigung, die Shell zahlte, können die Anwohner nur wenige Jahre leben (ZEIT ONLINE berichtete). Doch noch heute sind große Gebiete verschmutzt.

Werden die Folgen von Reaktorunfällen verharmlost?

Und dann ist da noch dieser Vertrag zwischen der WHO und der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO), die weltweit die Atomenergie fördert. Er verhindere laut Pinzler und Mischke, dass die Gesundheitsbehörde der Vereinten Nationen neutral darüber aufklärt, wie sehr Radioaktivität die Gesundheit von Menschen gefährdet. Nach dem GAU bei Tschernobyl im Jahr 1986 habe die WHO die Todeszahlen heruntergespielt und auch nach dem Erdbeben und dem Tsunami von Fukushima 2011 habe sie sich auffällig zurückgehalten: Erst Tage nach der Reaktorkatastrophe waren WHO-Offizielle an der Unglücksstelle. Dabei soll in solchen Fällen viel früher ein Notfallplan greifen, der zum Beispiel Strahlenmessungen direkt nach dem Unfall vorsieht.

Auch heute noch stütze sich die WHO in Sachen Fukushima zu stark auf Informationen der IAEO, kritisiert der Film. Zudem überschneide sich das Personal beider Organisationen stark: Am WHO-Bericht zu Fukushima schrieben gleich sieben Mitarbeiter der IAEO mit. Besonders unabhängig klingt das nicht. 

Gerade ihre Unabhängigkeit aber hat dazu geführt, dass die WHO in ihrer Geschichte vieles erreicht hat, darunter die Ausrottung der Pocken, die drastische Reduzierung der Fälle von Kinderlähmung und die weltweite Abnahme des Rauchens durch strikte Anti-Tabak-Regeln. Und genau diese Unabhängigkeit droht sie nun zu verlieren: Bekam sie 1970 noch vier Fünftel ihrer Mittel von den Mitgliedsstaaten, ohne dass diese an Projekte gebunden waren, ist es heute nur noch ein Fünftel. Der Rest kommt von privaten Spendern, Stiftungen oder von Mitgliedsstaaten, die freiwillig, aber projektgebunden Geld geben. All diese Geldgeber haben unterschiedliche und widersprüchliche Interessen und wollen die Agenda der globalen Gesundheitswächter mitbestimmen. Die Diskussion, die Pinzler und Mischke anstoßen wollen, muss deshalb dringend geführt werden: Wie muss sich die WHO verändern, damit sie ihren Aufgaben auch in Zukunft nachkommen kann? 

Vorschläge gibt es genug: Nur noch Spenden annehmen, bei denen die WHO selbst bestimmt, was sie damit macht; Statuten erlassen, die personelle Überschneidungen mit Institutionen wie der IAEO oder Lobbyorganisationen, aber auch der Gates Foundation, ausschließen; bei Projekten wie der globalen Impfallianz Gavi, deren Geld größtenteils von der Gates-Stiftung kommt und in deren Vorstand Pharmaunternehmen sitzen, nicht weiter mitspielen. All das wäre möglich. Um wieder unabhängiger zu werden, bräuchte die WHO aber vor allem eines: mehr frei verfügbares Geld von den Mitgliedsstaaten. Sollten die weiter darauf setzen, dass Milliardäre übernehmen, was ihre Aufgabe wäre, könnte die wichtigste Einrichtung der Weltgesundheit endgültig ihre Glaubwürdigkeit verlieren.

Nach der TV-Ausstrahlung ist Dokumention "Die WHO – Im Griff der Lobbyisten?" in der ARTE-Mediathek zu sehen.